Fahrradfahren ohne Helm: Radler muss sich Mitverschulden anrechnen lassen, OLG München, Aktenzeichen: 24 U 384/10 - Urteil vom 03.03.2011

 

Kommt es auf einer Straße, bei der nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ob es sich um einen Feldweg oder eine bevorrechtigte Straße handelte, zu einer Kollision zwischen einem Fahrradfahrer und einem Pkw, trifft den Fahrradfahrer zumindest dann ein Mitverschulden, wenn dieser auf einem Rennrad und ohne Fahrradhelm unterwegs ist. Hier spricht dann der so genannte Anscheinsbeweis für eine sportliche Fahrweise. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) München nach einer Mitteilung der Verkehrsanwälte (Arge Verkehrsrecht im DAV). Im zugrunde liegenden Streitfall klagte ein Radfahrer, der früh morgens auf dem Weg zur Arbeit bei einer Kollision mit einem Fahrzeug erhebliche Verletzungen - auch am Kopf - erlitten hatte. Der ohne Helm fahrende Radler war mit seinem Rennrad aus einem als Geh- und Radweg gekennzeichneten geteerten Weg ungebremst und mit hoher Geschwindigkeit nach links auf die vom Beklagten mit seinem Wagen befahrene geteerte und annähernd gleich breite Ortsverbindungsstraße eingebogen, wo es zum Zusammenstoß kam.

Das Landgericht (LG) hatte der Klage zu zwei Dritteln stattgegeben und den beklagten Autofahrer sowie seine Versicherung unter anderem zu einem erheblichen Schmerzensgeld und weiterem Schadensersatz verurteilt. Hiergegen richtete sich die auf eine Klageabweisung zielende Berufung der Beklagten, die hilfsweise auch beantragt hatten, die Haftungsquote zu ihren Gunsten zu ändern. Letzterem entsprach das OLG mit seinem Urteil im Berufungsverfahren insoweit, als es die Haftungsquote des Klägers von 1/3 auf 40 % erhöhte. Das OLG setzte sich zunächst mit der Frage auseinander, ob es sich bei dem vom Radfahrer benutzten Weg um einen untergeordneten "Feld- oder Waldweg" handelte, was es nach längeren Ausführungen verneinte. Da der Weg als Straße einzuordnen war, bei der die Rechts-vor-Links-Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO gelte, bestand eine Vorfahrtsberechtigung des Radfahrers, die der VW-Bus-Fahrer verletzt hatte. Ein erhebliches Mitverschulden des Radfahrers an dem Unfall sah das Gericht jedoch - ebenso wie schon das LG - darin, dass der Radler aufgrund der nicht sofort eindeutig zu beantwortenden Frage, ob es sich bei dem von ihm befahrenen Weg um einen Feldweg oder eine bevorrechtigte Straße handelte, eine strengere Sorgfalt hätte beachten müssen, was er nicht getan habe. Bereits aus diesem Fehlverhalten des Radfahrers hat das Gericht ihm eine Mitverschuldensquote von einem Drittel auferlegt. Darüber hinaus hat das Gericht den Mitverschuldensanteil des Radfahrers und damit seine Haftungsquote aber auch noch deswegen erhöht, weil er gegen die Obliegenheit verstoßen hatte, einen Fahrradhelm zu tragen. Hierzu hat das Gericht ausgeführt, dass bei einem Radler, der, wie vorliegend der Fall, ein Rennrad mit Klickpedalen im freien Gelände benutzt, eine "sportliche Fahrweise" angenommen werden darf. Da der Kläger neben zahlreichen schweren Verletzungen im Rumpfbereich auch Kopfverletzungen erlitten hatte, sprach, so das Gericht, der Beweis des ersten Anscheins auch für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtbenutzen des Helms und den eingetretenen Kopfverletzungen.

(Quelle: Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins e.V.)

 

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